Was ist neu
Den Neuheitsfaktor der Wiener bringt eine Zahl am besten auf den Punkt: nur 5 Spieler (mit dem zurückgekehrten Bartholomäus eben deren 6) des Saisonstarts 2003/04 werden auch heuer das gelb-schwarze Trikot des aktuellen heimischen Eishockeymeisters tragen. Rotation, Fluktuation oder einfach pure Notwendigkeit? Im Vorjahr verstärkten 11 (teils) Hochkaräter das Projekt 'Titel 2004/05', und das war eine Veränderung der kostspieligen freiwilligen Art. Heuer mußten 8 neue Spieler in den Kader eingebaut werden, und freiwillig war an dem Prozess wohl nur die Kostenersparnis, denn den 8 Neuen standen 11 Abgänge gegenüber. Sorgen um die Wiener brauchen sich deren Fans trotzdem nur bedingt zu machen – mit Werenka, P.Lakos, Wren, Craig und Latusa blieb den Capitals ein wichtiger Teil des Meistermannschaftsgerippes erhalten. Und nachdem man unter den 8 Neuen fast nur wohlbekannte Eishockeynamen wiederfindet, hält sich der Qualitätsverlust des Kaders wahrscheinlich in eher engeren Grenzen. Ob dies ausreicht, um gegen erstarktes Flügelgetier aus Salzburg, Linz und Villach zu bestehen, wird nicht zuletzt von Coach Bonis Fähgkeit, eine numerisch am unteren Limit besetzte Verteidigung über die Saison zu bringen, abhängen.
Die wichtigsten Neuen
Jeff Maund, ehemaliger AHL-Goalie mit Top-Stats in Italien; Walter Bartholomäus, aus Graz heimgekehrtes Torwarttalent; Kevin Mitchell, in Kassel Nr.7 der DEL-Verteidigerscorerliste; Christian Ban, vielseitig einsetzbares KAC-Talent mit gutem PO-Run; Gerald Ressmann, jahrelanger Lieblingsfeind der Wiener auf interessanter Mission; Oliver Setzinger, späte Transferbombe und seines Zeichen derzeit neben Vanek & Koch das größte Talent Österreichs.
Wer wird fehlen
Ist es Goalie Frederic Chabot, der wohl einen ganz wesentlichen Anteil am schlußendlichen Titelgewinn der Wiener sein eigen nennen darf? Oder ist's Dave Chyzwoski, gemeinsam mit Mike Craig bester wiener Torschütze der abgelaufenen Saison? Manche werden auch die offensiven Beiträge von Robert Lukas vermissen, andere wiederum den Einsatz von Markus Peintner – ja, und ein paar werden sogar dem Leadership von Dieter Kalt nachtrauern. Allzuviele dürften dafür aber nach der traurig-peinlichen Posse, die sich rund um den kaltschen Wechsel nach Salzburg abgespielt hat, nicht übrigbleiben. Jedenfalls hat Wien heuer auf einem Schlag Spieler abgeben müssen, mit denen man anderswo locker ein neues Team aufbauen könnte.
Tor
Das Kapitel Frederic Chabot überdauerte in Wien nur ein Jahr – und welch besondere Ironie, daß es grad das Jahr war, in dem Chabot dem Vorurteil des PO-Jokers mit einer dominierenden Performance ebendort den Wind aus den Segeln genommen hat. Nun spielt er wieder in der DEL bei Mannheim. Sein Nachfolger wurde in Italien gefunden, Jeff Maund, und der spielte auch schon in der AHL. Sein Ruf ist ein guter, sein Statistiken sind noch besser, und nachdem Chabot nie wirklich zum Publikumsliebling der Wiener Fans geworden ist, hat Maund diesbezüglich sogar gar kein schlechtes Blatt in den Händen. Ihm zur Seite steht der Heimkehrer Walter Bartholomäus, der in Graz verletzungsbedingt ein eher durchwachsenes Jahr hinter sich gebracht hat. Das Talent ist immer noch da, allein, es fehlt an Einsätzen, um es auch in schlechten Phasen bewähren und reifen zu lassen.
Verteidigung
Jim Boni setzt auch heuer auf eine qualitativ gute, quantitativ aber eher eng besetzte Defensive. Mit Werenka, Mitchell, Kasper, Gruber, Altmann und P.Lakos stehen nur 6 Verteidiger im Kader der Wiener. Nicht auszuschließen, daß bei Ausfällen Christian Ban die schon beim KAC geübte Rolle eines Aushilfsverteidigers einnehmen wird. Abgesehen von der numerischen Schwäche ist die Formation aber sonst durchaus ein gute. Mit Darcy Werenka steht der punktebester Verteidiger der Liga in den Reihen der Wiener, der so nebenbei auch noch gemeinsam mit Tony Iob vom KAC die meisten PP-Tore erzielt hat (13) und Nr.3 der +/- Rangliste der EHL war. Kevin Mitchell sollte Robert Lukas Offensive ersetzen können, ohne dessen defensive Schwächen zu kultivieren. Peter Kasper 's solide Saison wurde durch etwas zuviele, oft unnötige, Strafen begleitet , während Philippe Lakos die Abwesenheit seines am Eis dominierenden Bruders diesmal nicht zu einer spielerischen Weiterentwicklung nutzen konnte, Seinen Ruf als besten Fighter der Liga konnte er hingegen eindrucksvoll festigten. No5 und No6 werden der 18jährige Mario Altmann, der im Vorjahr eine überzeugende Talentprobe abgelegt hat, und Gerd Gruber, Neuzugang aus Graz und auch schon mal im erweiterten Kreis des Nationalteams, bilden. In Summe können die Wiener jedenfalls eine kleine aber feine Defense aufbieten, die in der Qualität sogar über die der Meistermannschft des Vorjahres zu stellen ist.
Angriff
Mit Mike Craig und Bob Wren blieben die neben Werenka wichtigsten Spieler der Capitals für ein weiteres Jahr in Wien, und wer immer neben diesen beiden in der ersten Linie spielen darf, wird sich über ein Karriere-Jahr freuen dürfen. Sollte Coach Boni Oliver Setzinger den linken Flügel neben Wren und Craig geben, könnte dieses Trio den Output der vorjährigen Wren-Craig-Peintner Combo sogar noch locker übertreffen. Denkt man jedoch an die traditionelle Centerschwäche der Capitals, wird es auch keine so blöde Idee sein, Setzinger in die zweite Linie als Mittelstürmer zu setzen. Der andere prominente Neue, Gerald Ressman, würde dann Linie 3 centern, womit nur die 4.Linie mit einem provisorischen Mann in der Mitte auskommen müßte. Mit Manuel Latusa, Gregor Baumgartner, Jari Suorsa, Thomas Eichberger, Yuri Tsurenkov und Christian Dolezal hat Jim Boni an den Flügeln einiges an Auswahlmöglichkeiten, wobei gerade erstere drei ganz wesentlichen Anteil am Gelingen oder Nichtgelingen der Saison der Hauptstädter haben werden: schafft Latusa endlich den Sprung vom Talent zum Nationalteamspieler, kann Gregor Baumgartner doch nochmal sein großes Potential umsetzen und über eine komplette Saison ausspielen und bleibt Jari Suorsa mal für ein Jahr ohne Verletzungen? Je nachdem die Antworten auf diese Fragen ausfallen, wird eine erfolgreiche Titelverteidigung der Wiener wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher.
Trainer
Jim Boni ist derzeit der beste Coach in Österreich. Selbst wenn viele Kritiker den finanziellen Input von Präsident Schmidt als Hauptgrund des Wiener Titels anführen, so braucht es jemanden, der das viele Geld zuerst in gute Spieler und dann die guten Spieler in großartige Leistungen auf dem Eis umwandelt. Boni hat im Spätherbst 2003 einen chaotischen Sauhaufen übernommen und diese Abgeschlagenen fast noch ins PO der selben Saison geführt. Dann hat er das Team nach seinem Geschmack umbauen können und nach kurzer Schwächeperiode zu Beginn der Meisterschaft einen Lauf mit den Capitals hingelegt, wie es sich wohl die größten Optimisten der Wiener nicht träumen hätten lassen. Sein Meisterstück vollbrachte er aber im PO: gegen Mats Waltins KAC schon fast auf den Brettern, bog er in Spiel 6 & 7 die Meisterschaft trotz der Ausfälle von Wren, P.Lakos und Podloski noch zugunsten der Wiener. Er hat Waltin schlichtweg ausgecoacht. Bonis hat, was jeden großen Trainer ausmacht: er versucht nicht dem Team seine Spielweise aufzudrücken, sondern er coacht nach dem Spielermaterial, das er zur Verfügung hat. Und erst dann wechselt er die Spieler aus. Solange Boni in Wien bleibt, werden die Caps konkurrenzfähig sein.
Special Teams
Ein tödliches PP mit ligaführender knapp 25% Effizienz und das zweitbeste Penalty Killing, das den Schaden der mit Abstand meisten Unterzahlspiele der Liga einigermaßen in Grenzen halten konnte, waren wohl zwei der wichtigsten Eckpfeiler der capschen Dominanz der Vorsaison. Und Verletzungen ausgeschlossen sollte sich an den guten Special Teams auch nicht allzuviel ändern. Mit Werenka, Wren und Craig blieben die 3 dominierenden PP-Performer der Liga in Wien, mit Mitchell, Setzinger und Ressmann kamen 3 versierte PP-Akteure hinzu. Nimmt man dazu noch eventuelle Steigerungen von Latusa, Suorsa und Baumgartner an, sollte die Konkurrenz dumme Fouls nicht unbedingt zur Gewohnheit werden lassen. Das Penalty-Killing wird unter Boni immer exzellent bleiben, bei der Foulfreude der Wiener auch die pure Notwendigkeit.
Local Hero
Im Vergleich zum aufgeführten TamTam, mit dem manch anderer großer Namen in die Liga reinposaunt worden ist, hat Mike Craig eher den stillen Weg nach Österreich gefunden. Geholt noch vom Duo Hammer/Harand war der Kanadier vom ersten Shift weg im Unterschied zu so mancher Seifenblase eine absolute Top-Verstärkung. Nicht immer im fairen Bereich unterwegs (manche nennen's auch schmutzig), würd sich heute jeder Klub alle 10 Finger ablecken, wenn sie seinerzeit selber auf die Idee Craig gekommen wären. In Jahr eins war er Punktebester der Wiener, in Jahr zwei war er dann Punktebester der gesamten Liga, Nr.2 bei Toren & Assists, No.4 bei PP-Toren und +/-, No.9 in Strafminuten und No.2 der Capschen PO-Scorer. Neben Warren Norris the most complete package in der Liga.