Was ist neu
Die selbsternannten Sparefrohs der Liga blieben in diesem Sommer ihrer Linie treu und verzichteten ein weiteresmal löblicherweise auf das kostspielige Abwerben von Leistungsträgern der Konkurrenz. Edel & gut schwächt man damit nicht die Gegner, kompensiert aber trotzdem die eigenen Abgänge und darf sogar auf Qualitätssteigerung im Kader hoffen. Mit Scott Fankhouser, Peter Kniebügel und J.C.Ruid wurden wankende Positionen der Vorsaison neu besetzt, mit Quantschnig, Steinwender, Schildorfer und den Kraxner Zwillingen auf eine neues die traditionell dünne Kaderdecke zu stärken versucht. Erhalten blieb Coach Zettel mit Norris, Selmser, Tropper, Hala und der ewigen Einbürgerung Jeremy Rebek (der zwar noch immer Kanadier ist, aber dank des schrulligen Verbandes trotzdem schon als Österreicher gilt) sein Kernquintett der letzten Saison, das mit einem grandiosen Saisonfinish ein schon verlorenes PO fast wieder möglich gemacht hätte. Zu den glorreichen Fünf gesellt sich auch der Rest des Teams relativ unverändert im Bunker zu Liebenau ein. Selbst der drohende Abgang von Gerhard Göttfried wurde nochmals abgewendet, was für einen Kader mit so wenigen profilierten Scorern in den eigenen Reihen der wahre Segen ist.
Die wichtigsten Neuen
Scott Fankhouser, Torhüter mit NHL-Erfahrung; Peter Kniebügel, Center mit Biss & Haken und solider Wien-& Linz-Vergangenheit; J.C.Ruid, Flügelriese, ehemaliger College-Teamkollege von NHL-MVP Martin St.Louis und fleißiger Scorer in Amerikas unteren Ligen.
Wer wird fehlen
Wahrscheinlich am ehesten Chris Bartolone. In der Verteidigung ohnehin nicht gerade berauschend tief besetzt, verzichteten die 99ers auf eine Weiterverpflichtung jenes Spielers, der im Spätwinter einem Conny Strömberg vorgezogen worden ist. Im Spiel ein solider Defender, scorte Bartolone 14 seiner 20 Punkte im Power Play. Könnte gut sein, daß man gerade dort seine Qualitäten heuer doch etwas vermissen wird. Weh tut auch der Abgang von Walter Bartholomäus, gilt der Wiener trotz verletzungsbedingt unbefriedigender Saison weiter als einer der besten jungen Goalies der Liga.
Tor
Statt dem Duo Machraich/Bartholomäus steht jetzt das Solo Scott Fankhouser im Tor. Gekommen aus der ECHL und mit Erfahrungen von NHL bis 2.deutsche Bundesliga sollte Fankhouser dem grazer Tor mehr Routine & Renommee als bisher üblich geben. Von den Statistiken her ist Fankhouser ein Upgrade zu Machraich, ein Gewinn wäre er schon, wenn er dessen eher bescheidene Performances in den Penaltyschießen vergessen lassen könnte. 4 von 5 Bestschießen verloren die Grazer – eine bessere Bilanz, und die Grazer wären im Semifinale gestanden. Sollte Fankhouser sich verletzen, können die 99ers nur beten, daß das Talent der jungen Iberer und Weinhandl schon reif für die erste Liga ist ... oder sich gleich einen neuen Goalie suchen.
Verteidigung
Wo Handanlegen nötig gewesen wäre, entschloss sich die grazer Führung zur Untätigkleit, wohl in der Hoffnung, daß ein fitter Mattie den besseren Unterschied zur vorjährigen Inkonstanz-Defense ausmachen wird. Bartolone wurde nicht nachbesetzt, also liegt es wohl an den jungen Brunnegger, Quantschnig und Steinwender, Mattie und den beiden Säulen des Vorjahrs, Rebek & Hala, genug Verschnaufspausen zwischen deren Shifts zu verschaffen. Den Vergleich zu den restlichen Defences der Liga muß die grazer Verteidigung trotzdem eher scheuen, da sie weder qualitativ noch quantitativ weit vorlegen kann. Solide? Ja. Dominierend? Nein. Und die wichtigsten Verteidiger werden wohl auch in diesem Jahr die Stürmer bleiben – außer, Brunnegger und Quantschnig gelingt es, ihre Junioren-Performances in erste Liga-Reife zu verwandeln (wenn Zettel sie läßt).
Angriff
Mit Norris-Tropper-Selmser fand Zettel gegen Saisonende eine der besten Linien der ganzen Liga (63 Punkte in den letzten 12 Spielen), nur was macht er dann mit J.C.Ruid? 4 Mann in einer Linie geht nicht, also wird Zettel das Schlußspurt-Trio erneut aufsplitten und hoffen, die restlichen Positionen so zu besetzen, daß die Grazer wie im letzten Herbst mit 2 starken Scorer-Linien (damals um Norris/Strömberg und Selmser/Tropper) agieren können. Mehr wird’s aber auch diesmal nicht spielen, denn mit Kniebügel kam neben Ruid nur eine weitere bekannte Offensivgröße nach Graz, und die ist eher (dafür aber effektiv) auf der defensiven und Krätz'n-Seite daheim. Göttfried wird wohl seinen Platz in einer der ersten beiden Linien sicher haben und von dort seine 16 Tore vom letzten Jahr zu toppen versuchen, ein Vorhaben, daß einem Pollross (5 Tore), Kühn (4) und Schurian (3) unbedingt gelingen muß, wollen die Grazer heuer ernsthaft um ein PO-Ticket mitreden. Das Dark Horse könnte Harry Lange sein, der in seinem ersten Jahr in Graz positiv überraschen konnte und durchaus einer weiteren Steigerung verdächtig scheint. Mit Daniel Schildorfer (immerhin 5 Tore für den VSV) und Patrick Privoznik stehen Trainer Zettel zwei weitere erstligataugliche Spieler zur Verfügung, sodaß heuer ernsthafter als in der Vergangenheit mit 4 Linien aufgelaufen werden könnte. Der lange Atem und die Körper seiner Stars würden es ihm danken.
Trainer
Mike Zettel geht in sein drittes Jahr in Graz, manche unken schon, es sei sein letztes (inklusive vorzeitigem Abgang). Nicht unumstritten wegen seiner Präferenz für Kanadier & Routiniers hat es Zettel geschafft, mit einer vergleichsweise billigen Mannschaft in 2 Jahren einmal die PO zu erreichen und einmal nur haarscharf daran zu scheitern. Und zuvorderst: er hat Graz wieder in eine Hockeytown und Liebenau in eine der lautesten Hallen Europas zurückverwandelt. Einem kanten- und stachellosen Trainer wäre dies nie gelungen. Wenn, so wie in Graz, der Erfolg nur über die Teamarbeit möglich ist, ist meistens der Coach der größte Star – und sowas ist Fluch und Segen zugleich. Bis jetzt fand Zettel allerdings fast immer die richtigen Antworten für die Probleme am Eis - und damit auch auf die Vorwürfe seiner Kritiker. Und er hat auch diesmal im Rahmen der beschränkten finanziellen Möglichkeiten den Kader klug verstärkt. Wenn die Grazer von schweren Verletzungen ihrer wichtigen Spieler verschont bleiben und nicht aus dem, wahrscheinlich wieder defensiv geprägten, Teamkonzept ausbrechen, sollte von Ergebnisseite her einem Jahr 4 für Zettel in Graz nichts im Wege stehen.
Special Teams
Die Zahlen klingen gut: 44 PP-Tore, 23,03% der liga-mäßig wenigsten Überzahlspiele genützt. In der Realität war das grazer PP jedoch immer nur streckenweise 1A: 2x 4PP-Tore in einem Spiel, 1 x 3 Tore, 8 x 2 Tore). Insgesamt blieb man jedoch 19 Spiele ohne PP-Torerfolg, das sind immerhin fast 40%. Dafür ließen die Grazer nur 2 Shorthander zu – Ligabestleistung. Bester PP-Performer war übrigens Sean Selmser mit 24PP-Punkten vor Rebek mit 18. Das Penalty Killing war mit 81,77% okay, nur 3 Shorthander waren dann aber doch ein wenig enttäuschend.
Local Hero
Kann nur der Grazer alle Grazer sein, Warren Norris. Der wahrscheinlich wertvollste Spieler der Liga und zugleich beste Torschütze der letzten EHL-Saison traf in 30 seiner 44 Spiele, und 24 seiner 40 Treffer waren wichtige Tore. Nie wurde Norris' Wert für die Mannschaft augenscheinlicher als im PO-Rennen zu Saisonende, wo es für Norra fast eine Frage der Ehre zu sein schien, die Grazer doch noch unter die besten 4 zu bringen. Das Ergebnis: 15 Tore und 11 Assists in den letzten 12 Spielen – nur eben leider kein PO. Daß neben ihm Marc Tropper zum Scorer mutierte und Sean Selmser seine Form wiederfand, ist nur ein weiterer Beweis für die Klasse des little Sakic aus Graz. Norris ist der Franchise Player der Grazer.
Zeit zum Gasgeben
Man mag seine schwere Verletzung als Entlastung für die eher dezenten Leistungen nach seinem Comeback hernehmen, aber Jamie Mattie war schon zu Beginn der Jahres nicht im Lauf seiner Debütsaison: 1 Tor und 1 Assist in den ersten 10 Spielen war eher eine Ausbeute der mäßigen Art. Sagen wir es einfach so: sollte die grazer Defense erneut wackeln und darum Handlungsbedarf entstehen, könnte es diesmal sehr leicht Mattie als Opfer erwischen. Er ist nach Rebeks Quasi-Einbürgerung der einzig verbleibende Legionär in der grazer Verteidigung und damit wohl erster Austauschkandidat. Da heißt's also anzah'n...
Der beste Fall
Fankhouser ist der erwartete Rückhalt im Tor, Mattie hat wieder die Form seiner Debütsaison, Brunnegger wird zum fixen Top4-Verteidiger, Ruid ist die Antwort auf die offene Flügelfrage und damit der Wegbereiter für eine zweite Scorerlinie, Kniebügel und Lange entfachen neues Feuer in Linie 3 bzw. 4 und die Grazer schaffen von Verletzungen verschont als Dritter den Sprung ins PO.
Der schlimmste Fall
Ein längerer verletzungbedingter Ausfall von Norris und die negative Antwort auf die Frage, ob der Leistungsabfall von Spielern wie Mattie, Rebek, Pollross oder Kühn ein vorübergendes Formtief oder die Folge des gestiegenen Niveaus in der Liga ist. PO ade.
Wahrscheinlicher Fall
Wieder ein Kampf um den 4.Platz auf Biegen und Brechen. Die Konkurrenz ist stärker geworden, die Grazer können sich nicht zuviele Ausfälle personell wie auch taktisch leisten. Halten sich die Verletzungen in Grenzen und entsprechen die Neuzugänge einigermaßen den Vorstellungen, sollten die doch stärker gewordenen 99ers im März noch im Kampf um das letzte Semifinal-Ticket dabei sein. Dort ist dann wie im PO alles möglich und drinnen ... .
und wer's anders sieht, kann's gerne drunter posten
Roster EC Graz 99ers (leider Kompromiß-Bildqualität):